Die Ergebnisse der von der Universität Hamburg erstellten „leo. – Level-One Studie“ 2010 zur Lese- und Schreibfähigkeit Erwachsener in Deutschland waren alarmierend. Danach beherrschten 25 % (13 Millionen) der deutschsprachigen Erwachsenen das Lesen und Schreiben nur auf Grundschulniveau, 14 % (7.5 Millionen) gelten sogar als funktionale Analphabeten. Es folgte 2018 die zweite Studie „LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität“. Als funktionale Analphabeten gelten seitdem 12,1 % (6,2 Millionen) der deutschsprachigen Erwachsenen.

Der bereits aus den ersten Studienergebnissen erkennbar gewordene dringende Handlungsbedarf hat das Ministerium für Wissenschaft und Kultur für das Land Niedersachsen (MWK) veranlasst, an fünf Standorten regionale Grundbildungszentren (RGZ) einzurichten. Mittlerweile sind es zehn RGZ. Im Sinne des angestrebten „Nationalen Paktes für Alphabetisierung und Grundbildung“ sollen sie einen substantiellen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Situation funktionaler Analphabeten leisten.

Im Rahmen dieser Initiative werden die städtischen Volkshochschulen Braunschweig, Hannover, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück, Göttingen, Weserbergland, Stade, Lingen und Diepholz ihr über Jahrzehnte gewonnenes Erfahrungswissen und ihre Kompetenz im Handlungsfeld Alphabetisierung und Grundbildung effizient bündeln, weiterentwickeln und den Volkshochschulen in ihrem Einzugsgebiet sowie anderen Bildungsträgern in Niedersachsen zur Verfügung stellen. Die in den RGZ entwickelten und erprobten Konzepte, Kursformate, Curricula und Lernmaterialien sind im Sinne einer Serviceleistung der einzelnen RGZ und des Verbundprojektes abrufbar. Die RGZ können somit der Schlüssel sein beim Aufbau einer Grundbildungslandschaft, die allen Betroffenen eine Chance auf nachholende Bildung und gesellschaftliche Teilhabe eröffnet.

 

Family Literacy – Lernen in der Familie

Aufsuchende Bildungsangebote
Mangelnde Erfahrung mit Sprache und Schrift im Vorschulalter gilt nach heutigen Erkenntnissen als einer der wichtigsten Risikofaktoren für den Schriftspracherwerb. Family Literacy ist ein generationsübergreifender Ansatz zur Förderung literaler Kompetenzen in der Familie und gilt deshalb als hochwirksame präventive Maßnahme gegen Analphabetismus.

Die Family Literacy-Kurse sollen niedrigschwellig (kostenlose Teilnahme, wohnortnah, lebensweltorientiert, keine Vorerfahrungen) und in Zusammenarbeit mit einer Kindertagesstätte in einem „Brennpunktviertel“ durchgeführt werden. Im Kurs sollen Fähigkeiten der Eltern aufgebaut und gestärkt werden, den Schriftspracherwerb ihrer Kinder zu Hause zu unterstützen und sie dadurch besser auf die Schule vorzubereiten. Schriftkultur soll in den Familien etabliert und somit verhindert werden, dass Analphabetismus in die nächste Generation „vererbt‘ wird.

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Entwicklung von Lernsoftware für arbeitsplatzorientierte Kursangebote

Arbeitsplatzorientierte Weiterbildungsangebote
Die Entwicklung eines modular aufgebauten Lernsoftware-Pakets mit verschiedenen Übungen zum Schreiben, Lesen und Rechnen, sowie Logikübungen und Lernspielen zielt auf den Ausbau arbeitsplatzbezogener bzw. arbeitsmarktorientierter Grundbildungsangebote.

Die Inhalte sind stets arbeitsplatzorientiert und thematisch nach Berufsgruppen sortiert. In der vorliegenden Fassung sind die Berufsfelder Maler-und Lackiererhandwerk, (Alten-)Pflege, Kraftfahrer, Bauhelfer und Küche/Gastronomie enthalten.

Mittlerweile ist Beluga in der Version 3.0.1 als Webversion und als Android-App verfügbar.

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Unterstützung von Selbsthilfestrukturen der Lerner

Neue Formen der Zielgruppenansprache und Öffentlichkeitsarbeit
Im April 2011 wurde die ABC-Selbsthilfegruppe Oldenburg gegründet von den Menschen, die selbst von Analphabetismus betroffen waren. Eigens gewähltes Ziel der Gruppe ist es, anderen Betroffenen Mut zu machen und Selbstbewusstsein zu geben, als Erwachsene eine zweite Chance zu ergreifen und das Lesen und Schreiben noch einmal von Anfang an zu erlernen. Die ABC-Selbsthilfegruppe Oldenburg ist erst die bundesweit dritte und in Niedersachsen einzige Gruppe von Betroffenen.

Durch zielgruppengerechte Ansprache wollen die Mitglieder andere Menschen mit einer Lese- und Schreibschwäche zur Teilnahme an einem Kurs motivieren und sie unterstützen. Selbst Betroffene sind die besten Botschafter für Alphabetisierung. Um sie in dieser Aufgabe zu unterstützen und zu professionalisieren, wird die ABC-Selbsthilfegruppe entsprechend den Erfordernissen in Präsentation und Öffentlichkeitsarbeit geschult und gecoacht.

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