Digitale Kompetenzen in der Grundbildung

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Wann haben Sie das letzte Mal eine App benutzt? Vermutlich ist es noch nicht sonderlich lange her, vielleicht nutzen Sie ja sogar jetzt gerade eine zum Lesen dieser Zeilen. Egal ob Arbeit oder Amt, ob Shop oder Chat, ob Dating oder Darlehen – für alles gibt es mittlerweile schicke Apps, mit denen sich die jeweiligen Aufgaben spielend leicht am eigenen Smartphone erledigen lassen. Schöne neue Welt, oder?

So einfach und intuitiv die Bedienung der Apps und Geräte den meisten auch erscheinen mag: Ganz so leicht ist das für viele Menschen nicht. Wer noch ohne Smartphone groß geworden ist oder an diesem Thema schlicht kein Interesse hat, verfügt meist nicht über das notwendige Grundwissen, um mit Apps und Internet so sorglos durch den Alltag zu surfen, wie es heute üblich zu sein scheint.

Dazu kommen als zweite große Gruppe die Millionen Erwachsenen in Deutschland, die nicht richtig lesen und schreiben können. Zu den Muttersprachlern kommen Migranten ohne oder mit geringer Schulbildung. In beiden Gruppen sind insbesondere die Jüngeren zwar durchaus am Smartphone und in Sozialen Medien aktiv, weisen jedoch oft grundlegende Wissenslücken und Unsicherheiten auf.

Im Regionalen Grundbildungszentrum an der VHS Oldenburg ist die Verwendung von Computern und Lernsoftware in den Kursen der Alphabetisierung und Grundbildung schon seit vielen Jahren üblich, nicht zuletzt wird die eigene Lernsoftware Beluga entwickelt. Für die Mitglieder der ABC-Selbsthilfegruppe gibt es seit einem Jahr ein weiteres Angebot. Im Kurs »Digitale Kompetenzen« geht es um alles rund um Handy, Internet, Kommunikation, Streaming, Datenschutz und vieles mehr.

Kursinhalte und Motivation

Die vielleicht wichtigste Erkenntnis der letzten Jahre aus der Kursarbeit in diesem Bereich ist, dass sich ein solch spezieller Kurs nicht sinnvoll mit einem Lehrplan umsetzen lässt. Der Kurs ist konsequent an den Bedürfnissen der Teilnehmenden ausgerichtet. Die Kursinhalte werden fast vollständig von ihnen bestimmt, sozusagen mitgebracht.

Die Motivation der Teilnehmenden lässt sich gut zusammenfassen als »Mithalten im Alltag« und »Angst, etwas falsch zu machen«. Bei den meisten geht es nicht um grundlegendes Interesse an der Technik und ihrem Potential, sondern darum, im täglichen Leben nicht abgehängt zu werden. Sind die ersten Hürden genommen, wächst bei vielen die Begeisterung für die neuen Möglichkeiten.

Konkret läuft der Kurs meist so ab, dass zunächst individuelle Fragen und Probleme geschildert und abgearbeitet werden. Dies geschieht teils gemeinsam, teils individuell. Dabei kommt es oft vor, dass einzelne Teilnehmer viel Zeit beanspruchen, wobei sich die übrigen Anwesenden meist geduldig zeigen und sich zwischendurch mit Lernprogrammen beschäftigen oder z.B. üben, sich Nachrichten per Messenger zu schicken. Es folgt eine Übersicht mit typischen Fragen, Problemen und Inhalten.

Allgemeine Wissensfragen

Der gesamte Wust an Fachbegriffen ist natürlich ständig Thema und es wird immer wieder nach allen möglichen Begriffen gefragt, meist im Zusammenhang einer geplanten Anschaffung. Es ist erstaunlich, welch unterschiedliche Fragen im Laufe der Zeit gestellt werden.

    •  Was ist eigentlich …?
    •  Was bedeutet eigentlich …?
    •  Wie spricht man eigentlich …?
    •  Was ist der Unterschied zwischen …?

Laptop und Notebook, 5G, 4G und LTE, Bluetooth und WLAN, Update und Upgrade, RAM, TDP, SSD, HDD, TB, GB, MB, Bit, Byte, Mbit, SoC, Kerne, dpi, ppi, Wifi, mAh, CPU, GPU, FPU, APU, Funkzelle, Netzabdeckung, https, GPS, USB, HDMI, SD, HD, FHD, UHD, 4K, 8k, FLOPS, IPS, MIPS, OLED, Jailbreak, Trojaner, Virus, Codec, usw. usf.

Konfiguration der eigenen Geräte

    •  Wie stelle ich auf meinem Smartphone die Schrift größer?
    •  Wie ändere ich das Hintergrundbild?
    •  Wie ändere ich den Klingelton?
    •  Wie verwende ich verschiedene Klingeltöne?
    •  Was bedeuten diese Meldungen, die immer erscheinen?
    •  Wie passe ich die Lautstärke getrennt nach Aufgabe an?
    •  Wie kann ich Speicherplatz frei machen?

Bedienung der eigenen Geräte und Apps

    •  Wie mache ich ein Foto/Video?
    •  Wie versende ich ein Foto/Video?
    •  Wie schreibe ich eine E-Mail?
    •  Woher bekomme ich eine E-Mail?
    •  Wie lese ich eine E-Mail?
    •  Wie komme ich ins Internet?
    •  Wie finde ich Memes oder Gifs?
    •  Wie mache ich eine Sprachnachricht?
    •  Wie kann ich ebay-Kleinanzeigen benutzen?
    •  Wie kann ich online einkaufen?

Problemlösungen

    •  Mein Speicher ist voll!
    •  Mein Facebook-Konto geht nicht mehr!
    •  Ich habe mein Passwort vergessen!
    •  Wie bekomme ich meine Daten auf mein neues Handy?

Privatsphäre, Datenschutz und Sicherheit

    •  Was ist ein sicheres Passwort?
    •  Wie achte ich auf Datenschutz?
    •  Was sollte ich im Netz vermeiden?
    •  Wie blockiere ich eine Rufnummer?
    •  Wie lösche ich bestimmte Daten auf meinem Gerät?
    •  Habe ich einen Virus?
    •  Wie benutze ich mehrere Accounts?

Einkaufsberatung und Lebenshilfe

    •  Was für ein Handy brauche ich?
    •  Was für ein Laptop brauche ich?
    •  Laptop oder Tablet?
    •  Worauf sollte ich bei einem neuen TV achten?
    •  Worauf muss ich bei Verträgen achten?
    •  Welche Verträge gibt es?
    •  Was brauche ich und was nicht?

Anforderungen an die Kursleitung

Natürlich sollte sich die Kursleitung gut auskennen, die Fragen gehen aber fast nie in die Tiefe. Es ist also nicht erforderlich, alle technischen Grundlagen bis ins Detail erklären zu können. Alles bleibt auf der reinen Anwendungsebene. Wichtig ist vielmehr, besonders anschaulich, langsam und empathisch erklären zu können.

Was sich sehr bewährt hat, ist die Gründung einer eigenen Gruppe bei einem Messenger, z.B. WhatsApp. Hier können die Teilnehmer den Umgang damit üben und auch mal einen Fehler machen. Im Kursverlauf können laufend weitere Tipps eingestreut werden, was immer auf großes Interesse stößt.

Auch zu rechtlichen Fragen sollte die Kursleitung über das entsprechende Wissen verfügen, insbesondere zu urheberrechtlichen Fragen wie „Darf ich ein Foto aus dem Netz benutzen?“ oder „Darf ich dieses Bild in Facebook teilen?“

Sehr selten kommen auch Fragen nach Vorgängen, die sich rechtlich in einer Grauzone bewegen oder klar rechtswidrig sind. Dabei handelt es sich meist um Fragen zur Beschaffung oder Vervielfältigung kopiergeschützter Filme oder Spiele, aber es wurde auch schon nach dem Zugang zu einschlägigen Shops im Darknet gefragt.

In diesen Fällen sollte gut erklärt werden, weshalb derartige Informationen nicht gegeben werden können, auch nicht „privat“ nach Kursende. Stattdessen sollte aufgeklärt werden, welche Gefahren und möglichen Konsequenzen damit verbunden sind.

2 Kommentare
  1. Vielen Dank für diesen Artikel! Wir überlegen gerade wie wir mit digitaler Grundbildung loslegen können. Da sind diese Frage eine große Hilfe, da sie aus der Praxis kommen. Sie decken sich auch mit den Anliegen, die wir vor Ort schon erfragt haben.

    Eine konkrete Frage habe ich noch: wie wird bei euch die „Computersprache“ eingeübt. Viele Wörter sind ja Englisch und müssen neu gelernt werden. Habt ihr da schon Erfahrungswerte?

    Liebe Grüße aus Naumburg.
    Gisela+

    • Die TN wissen normalerweise, dass viele Begriffe englische Wörter sind und dass diese anders geschrieben als gesprochen werden. Meistens wollen sie nur wissen, wie es korrekt ausgesprochen wird und was genau es bedeutet. Diese Erklärungen lassen sich auch gut mit der Vermittlung von weiterem Grundwissen verbinden.

      Wenn zum Beispiel nach ‚Gigabyte‘ gefragt wird, wird zunächst kurz erklärt, was ein Byte ist und dann eine kleine Erklärung der SI-Präfixe gegeben, also dass ‚Kilo‘ immer Tausend bedeutet (kennen alle von Kilogramm und Kilometer) und ‚Mega‘ eine Million und „Giga“ eine Milliarde. Tiefer sollte das nur bei konkreter Rückfrage gehen.

      Es wird auch darauf geachtet, immer das deutsche Äquivalent zu nennen, sofern vorhanden und auf Doppelungen bei Abkürzungen hingewiesen, z. Bsp.:
      HD = Hard disk = Festplatte
      aber auch:
      HD = High definition = hochauflösend

      Es ist sehr unterschiedlich, wie genau die TN etwas wissen wollen.

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