Transfer-Workshop zu Nachhaltigkeitsstrategien im Förderschwerpunkt Alphabetisierung

Auf Einladung der Transferstelle Alphabund kamen am 16. und 17. September 41 Beteiligte des BMBF-Förderschwerpunktes Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Alphabetisierung und Grundbildung für Erwachsene und weitere sieben Expertinnen zusammen, um gemeinsam zu Transferansätzen, zu Fragen des Marketings und Vertriebes der Projektprodukte sowie ihrer Nachhaltigkeit zu arbeiten.

Das ABC-Projekt war mit Achim Scholz und Kerstin Ratzke bei der Tagung vertreten.

Zum Auftakt der Veranstaltung stellte Dietmar Kleb, Transferstelle Alphabund, die Resultate einer Erhebung zu den in den Projekten des Förderschwerpunktes (90 Teilprojekte wurden befragt, Rücklaufquote 89%) gefertigten als auch geplanten Produkten vor. Die Befragung machte deutlich, dass sich unter den 383 gelisteten Produkten Lehr-/Lernmaterialien, Konzepte, Publikationen, Beiträge zur Öffentlichkeitsarbeit u.v.a. befinden. Auch die avisierten Nutzergruppen und Vertriebswege zeigen einen großen Variantenreichtum auf.

Marion Döbert erörtere anschließend in ihrem Impulsreferat wesentliche Eckpunkte für Nachhaltigkeit im Förderschwerpunkt: personelle Kontinuität im Zuständigkeitsbereich Alphabetisierung/Grundbildung vor Ort sichern, regionale Kompetenzzentren schaffen, Wissen und Produkte aus den Projekten dokumentieren, bündeln, archivieren und in Netzwerke einbinden, über den „inner circle“ hinaus weitere Akteure und Entscheidungsträger aus Politik/Wirtschaft einbinden und das Lobby- und Aktionsfeld erweitern, an institutionelle Strukturen andocken, Produkte in Regelstrukturen übernehmen und Vertriebswege erweitern, einen Dachverband Alphabetisierung/Grundbildung schaffen.

Zur Einführung in die Diskussion und gemeinsame Workshoparbeit gab es ein Impulsreferat von Renate Günther-Green von der Werbeagentur Grey. Als Botschafterin für Alphabetisierung ist sie dem Forschungs- und Praxisfeld bereits seit langem verbunden – sie war u.a. federführend für die Konzeption der Fernsehspots des Bundesverbandes für Alphabetisierung und Grundbildung e.V. Ihr Beitrag fokussierte auf die wesentlichen Erfordernisse zur erfolgreichen Be-Werbung von Produkten bzw. sie für die entsprechende Zielgruppe zugänglich zu machen. Bildung, so ihre Meinung, sei ein Produkt mit dem man Werbung machen kann.

Auf sehr eindringliche Weise veranschaulichte sie die Kraft der Bilder und Worte in der Werbung – einprägsame Bilder und klare einfache Aussagen! Auch die vielen einzelnen Produkte des Förderschwerpunktes Alphabetisierung sollten in einer „Aussagepyramide“ vom Produkt zum Ziel auf eine Kernaussage hinauslaufen. Das gemeinsame Ziel bestimme alle weiteren Schritte wie Logo, Sprachwahl, Farbe, Schrift und Namen der Produkte.

Aufgeteilt in fünf verschiedene focal points arbeiteten die Workshop-Teilnehmenden anschließend in verschiedenen Gruppen.

Im Workshop „Forschung und Wissenschaft“ wurde zunächst einmal auf die mangelnde allgemeine Definition von Analphabetismus verwiesen. Als Forschungsgegenstand ist das Thema bereits von Beginn an geprägt von Interdisziplinarität, eine Leitdisziplin hat sich dabei bisher nicht herauskristallisiert. Die Diskussion in der Arbeitsgruppe mündete dann in der Einschätzung, dass die Erwachsenenbildung dies leisten könnte. Die AG-VertreterInnen stimmten überein in dem Wunsch, dass eine Bündelung der Forschungsergebnisse des Förderschwerpunktes erfolgen müsse. Dafür seien etablierte Institutionen wie das UIL oder das DIE geeignete Adressen, da sie, anders als zeitlich befristet laufende Projekte, dauerhaft institutionalisiert seien und NutzerInnen unterschiedlichster Bereiche als Anlauf- oder Transferstelle dienen können. Neben den strukturellen Erfordernissen für einen gelungenen Vertrieb – in diesem Zusammenhang wurde auch die Einrichtung einer Stiftungsprofessur gefordert – kam die AG auch überein, dass ein persönliches Marketing helfe, zielgruppengerecht ansprechen zu können und die entsprechenden Endbegünstigen zu erreichen.

Im Workshop „Arbeit und Wirtschaft“ wurde zunächst der Frage nachgegangen, wie man Unternehmer, Gewerkschaftler und ARGE-Mitarbeiter als Nutzergruppen für die Themen und Angebote aus dem Handlungsfeld Alphabetisierung ansprechen und motivieren könne. Unternehmer könnten Gewinn daraus ziehen, wenn folgende Interessen bedient werden:

Motivation der Mitarbeiter, Mitarbeiterbindung, bessere Arbeitsleistung, Motivation für Neueinstellungen, größere Mobilität/Flexibilität, Wertschätzung der Mitarbeiter, mehr Arbeitssicherheit, Imagegewinn, finanzieller Gewinn durch Eingliederungshilfen, Teilhabe an Innovation über Einbindung in Forschungsvorhaben…

Als Interessensschwerpunkte der Gewerkschaften wurden eine Steigerung der Mitgliederzahl und des Imagegewinns sowie die Umsetzung sozialpolitischer Aufgaben formuliert. Bei den ARGEn kann es um eine Erhöhung der Vermittlungszahlen in Arbeit, um eine Verringerung der Anzahl Langzeitarbeitsloser, um Entlastung der Mitarbeiter und um passgenaue Angebote gehen. Je nach Nutzergruppe und Unternehmensbranche sollten unterschiedliche Botschaften gewählt werden, zum Beispiel „Potenziale erschließen“, „Bildung schafft Sicherheit“, „Grundbildung – ein Plus für Ihr Unternehmen“ usw.

Allerdings seien bei der Ansprache der Nutzergruppen auch Barrieren zu überwinden wie Unkenntnis, Vorurteile, Fachsprache, Kosten, geringe zeitliche Ressourcen, Sorge vor Diskriminierung von Mitarbeitern. Deshalb sollte der Begriff „Analphabeten“ in der Öffentlichkeitsarbeit vermieden und stattdessen – positiv formuliert – von einer Schreib- und Leseförderung gesprochen werden.

Erforderlich sei eine Kooperation der Projekte, die an gleichen Produkten arbeiten, im Sinne einer Bündelung der Kräfte.

Am zweiten Tagungstag wurde die Arbeit in den Workshops durch die Einbeziehung thematisch einschlägiger ExpertInnen fortgesetzt.

Am Workshop „Weiterbildungspraxis“ nahmen Andreas Sellner von der Gefährdentenhilfe der Caritas Köln und Susanne Guthoff von der JVA Hamburg Billwerder teil. Sie berichteten anschaulich über die Berührungspunkte mit dem Themenfeld Alphabetisierung in ihrem jeweiligen Berufskontext und verwiesen auf die Notwendigkeit zielgruppengerechter Ansprechmöglichkeiten. Sie äußerten das Interesse an Materialien zur Diagnostik und zur Unterrichtsgestaltung, die ohne großen Aufwand bezogen und von ihren Bediensteten angewandt werden können.

Im Workshop „Politik und Verwaltung“ war Ingrid Pieper-Şentürk vom Landesverband der Volkshochschulen in NRW als Expertin zu Gast. Anhand ihrer Erfahrungen im politischen Umfeld veranschaulichte sie die Faustregel „Informieren – motivieren – aktivieren“. Politiker sollten mit kurzen, aussagekräftigen Statements (maximal eine Seite) und einfachen Botschaften zielgruppenspezifisch und möglichst persönlich angesprochen werden. Das Einhalten der Hierarchieebene und die Kleiderordnung seien selbstverständlich. Der recht große Zeitaufwand bei der Kontaktanbahnung und -pflege (Bohren dicker Bretter!) könne sich auf lange Sicht positiv auswirken. Vor Ort kämen (Ober-)Bürgermeister, Lokalpolitiker, Landtagsabgeordnete, bildungspolitischer Sprecher der Parteien, Ausschussvorsitzende und Personen aus dem Stadtmarketing als Ansprechpartner in Frage. Dabei sei immer mitzudenken, welchen direkten Nutzen das Thema für die Gesprächspartner aus der Politik habe (Bürgernähe, öffentliche Aufmerksamkeit, Wahlunterstützung etc.). Gerade im Bereich der Politik spiele Image eine große Rolle. Das Marketing sei nicht zu unterschätzen. Hilfreich könne die Einbeziehung der betroffenen Lerner mit ihren authentischen Lebensgeschichten sein.

In vielen Nebengesprächen und anregenden Unterhaltungen außerhalb des Rahmenprogramms wurde deutlich, dass das heterogene Arbeits- und Forschungsfeld im Alphabund marketingtechnisch noch einige Aufgaben zu bewerkstelligen hat. Neben konzeptionellen Überlegungen zu der großen Publikationsreihe bedarf es auch der Einrichtung geeigneter Strukturen, die den Wissenstransfer vereinfachen und helfen, die guten und wichtigen Erkenntnisse und Produkte des BMBF-Förderschwerpunktes sowohl im „inner circle“ als auch darüber hinaus gemeinsam zu kommunizieren, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Die vielerlei Produkte müssten gebündelt werden und in einer zentralen Botschaft und wieder erkennbaren Marke zusammengeführt werden.